Eine Haltung im Umgang mit einer zerstörten Normalität zeigt die jahrhundertealte Keramikkunst, “Kintsugi”. Der Bruch ist ein Moment unseres Lebens, die Reparatur mit goldener Farbe zeigt unsere Verarbeitung dieses Ereignisses.
Auf der Suche nach einer Antwort entstand ein Raum zum Nachdenken mit Menschen aus verschiedenen Unternehmen und gesellschaftlichen Zusammenhängen. Die Fragen und Gedanken sind in diesem persönlichen Bericht und der Zusammenfassung der Interviews nachzulesen.
Wie wir vorgegangen sind
Wir sind vier nicht-wissende und suchende Personen spezialisiert in Organizational and Leadership Development und haben uns auf die Suche nach Antworten auf diese Frage gemacht. Um dem, was sich ändert und der damit einhergehenden Verunsicherung zu begegnen und tiefer zu erkennen, was sich gerade vor allem in der Arbeitswelt verändert, haben wir uns entschieden, Menschen rund um die Arbeitswelt und ökonomische, gesellschaftliche Entwicklungen zu interviewen.
Wir haben mit einem möglichst breiten Spektrum an Personen Gespräche geführt. Dabei haben wir unterschieden in Unternehmen und Organisationen, die in ihrem Geschäft nicht direkt von der Krise betroffen sind (z.B. Pensionskassen oder Immobilienfirmen) und Unternehmen, welche “systemrelevant” sind, und Unternehmen, für die sich die Geschäftstätigkeit einschneidend verändert hat (wie z.B. Kirchen, Schulen etc.). Wir führten 15 Interviews, von denen nicht alle in diesem Text berücksichtigt sind, welche uns dennoch sehr inspiriert haben.
So ging es bei der Pensionskasse vor allem darum, die Mitarbeiter und die Daten sicher in den Homeoffice zu transferieren und trotzdem den Austausch aufrecht zu erhalten. Die beiden ‘systemrelevanten’ Unternehmen, Zulieferer im Medizinbereich bzw. Betreiber von medizinischen Laboratorien, mussten innerhalb kurzer Zeit und mit Lieferengpässen aus Asien reagieren und ihre Dienstleistungen bzw. Produkte zur Verfügung stellen und gleichzeitig für die gesundheitliche Sicherheit ihrer Mitarbeitenden sorgen. Der Pfarrer musste auf Kanäle zurückgreifen, die ohne die kirchliche Architektur zu anderen Formaten gezwungen hat.
Auch die zwischenmenschlichen Faktoren wie z.B. Veränderungen in der Kommunikation, Wahrnehmung, Kreativität und gesellschaftlichen Faktoren interessierten uns. Aus diesem Grund haben wir auch einen Professor für Corporate Social Responsibility und einen Ständerat interviewt. Die Perspektiven sollten möglichst breit und vielfältig sein.
Wir sind mehr von Fragen getrieben als von Antworten und möchten einen Raum zum einsamen und gemeinsamen Nachdenken und Dialog schaffen. Dabei möchten wir die Vielfalt der Sichtweisen und unterschiedlichen Kontexte, in denen sich die Interviewpartner bewegen, zusammen bringen.
Entstehen eines Raums zum Nachdenken
Die Interviewreihe entstand zunächst aus dem Gedanken herauszufinden, was Menschen in ihren Organisationen, Unternehmen und Institutionen, wahrnehmen und erleben. Wie schlägt sich die Krise auf ihr Handeln nieder, wie erleben sie die plötzlichen Eingriffe, deren Ausmasse noch vor Kurzem unvorstellbar waren? Wie werden Zusammenhänge aus Kultur, Persönlichkeit, Zweck, Struktur und Abläufen sichtbar? Woraus können wir entfliehen, wo bleiben wir stecken?
Einige haben beobachtet , dass diese Zeit sowohl das Beste als auch das Schlechteste aus uns Menschen herausholt. Auch in anderen Kontexten wurde uns davon berichtet. Eines ist sicher: Die Aussage (und das damit verbundene Vorstellungs-Unvermögen) “Das geht nicht!” wird lange nicht mehr möglich und äusserbar sein, ohne sich an diese Zeit zurück zu erinnern, in der alles Unvorstellbare möglich war. Zumindest für einen begrenzten Zeitraum.
Im Laufe der Interviews zeigte sich, dass die Fragestellungen für einige Interviewpartner einen Denkraum bieten. Ein Raum, in dem sie die Situation ausserhalb ihrer Organisation reflektieren und frei denken können. Ein Nachdenken über das, was sie beobachtet haben bei sich selbst, den Mitarbeitenden, Geschäftspartnern, Kunden und in ihrem persönlichen Umfeld.
You can add up the parts.
You won't have the sum.
Forget your perfect offering.
There is a crack in everything.
That's how the light gets in.
Bongers, Göttelmenn, Kälin & Musolino. 2020. Welche Auswirkungen hat eine zerstörte Normalität auf unser Leben?
