Pamina Sulzberger

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15 mars 2023

Projektkonflikte – Fluch oder Segen?

four people, men and women, discussing around a table.
Jason Goodman @jasongoodman_youxventures - Unsplash

Unter welchen Bedingungen entstehen Konflikte in Projekten, wie können diese bearbeitet werden und was können wir daraus lernen?

Haben Sie schon Konflikte in Projekten erlebt? Kennen Sie das Gefühl, in einer Projektsitzung ständig unausgesprochene Feindlichkeiten zwischen Projektteammitgliedern zu erleben? Oder das Gefühl, wenn der Konflikt zwischen zwei Menschen oder verschiedenen Parteien offen ausgetragen wird z.B. in langem E-Mail-Verkehr, in dem etliche Personen ins cc. gesetzt werden?

Konflikte sind fast allen Projektleitenden und Projektteammitgliedern in Projekten begegnet. Wenn Zeit und Budget knapp sind, die Erwartungshaltung gross und der Widerstand für eine Veränderung eindringt, ist es nicht selten, dass es zu Konflikten kommt. Aber wie entstehen eigentlich Konflikte, und warum? Was können Auftraggebende, Projektleitende und Teammitglieder tun, um diese zu lösen oder gar zu vermeiden. Und was können wir aus diesen Konflikten lernen?

Ursachen von Projektkonflikten

Wir haben bei über 40 überwiegend Projektleitenden aus dem deutschsprachigen Raum, nachgefragt. Projekte scheinen insbesondere konfliktbehaftet zu sein, wenn sie interdisziplinär und/oder komplex sind. Das heisst also, je komplexer das Projekt, und je mehr und je unterschiedlicher die involvierten Personen sind, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass Konflikte auftreten.

Wir fragten auch, welche Ursachen Projektkonflikte haben können. Die meistgenannten Ursachen bringen erste Fragen mit sich, die während eines gesamten Projekts als Qualitätssicherung verwendet werden können:

  • Kommunikation: Wie wird kommuniziert? Was wird kommuniziert? An wen wird kommuniziert? Wie transparent wird kommuniziert?
    • Emotionen oder Persönlichkeiten: Wie wird mit Unterschiedlichkeiten zwischen den Menschen umgegangen?
      • Ressourcen: Stehen dem Projekt genügend Ressourcen zur Verfügung? Sollte der Projektumfang angepasst werden? Sollten mehr Ressourcen beantragt werden?
        • Rollen und Verantwortlichkeiten: Sind Rollen und Verantwortlichkeiten zu jedem Zeitpunkt im Laufe des Projekts klar?

        Kontext und Umfeld des Projekts sind relevant

        Konflikte werden von Menschen ausgetragen, am Anfang steht die Sache im Vordergrund, wenn die Sache nicht geklärt werden kann, landen irgendwann die Beteiligten auf der persönlichen Ebene. “Er/sie ist dumm.” oder “Er/sie ist krank.” sind häufige Gründe die genannt werden, wenn der Konflikt bereits persönlich geworden ist. Der eigentliche Ursprung von Konflikten liegt allerdings bei Projekten oft ganz woanders, nämlich im Kontext.

        Bevor wir in die Konfliktbearbeitung einsteigen, ist es deshalb wichtig zu verstehen, welchen externen Einflüssen Projekte ausgesetzt werden.

        Der renommierte österreichische Ökonom, Organisationsberater und Konfliktforscher Friedrich Glasl bricht die Komplexität im Organisationsumfeld in verschiedenen Ansatzstellen bzw. Ebenen, die für die Konfliktanalyse und -bearbeitung wesentlich sind (1). Wir setzen diesen Ansatz für Konfliktmanagement in Projekten ein. Er beschreibt verschiedene soziale Ebenen, die sich gegenseitig beeinflussen und Ursachen von Konflikten sind.

        Darstellung von drei Ebenen: Macro, Miso und Micro nach Glasl
        • Im Micro-Bereich stehen die Menschen im Zentrum und das Projekt, sie sind in ihrem Wahrnehmen, ihren Emotionen, Denken, Fühlen, Wollen und Handeln beeinträchtigt. Dadurch kann die Findung von Sachlösungen beeinträchtigt werden und/oder zu destruktiven Verhalten führen.
          • Im Meso-Bereich stehen die Konflikte der Organisation im Fokus. Dabei können Strukturen, Funktionen, Prozesse oder Rollen die Ursachen von Konflikten sein. Die betroffenen Menschen durchschauen dabei nicht unbedingt die eigentlichen Quellen des Konflikts und gehen davon aus, dass es an den Persönlichkeiten der Menschen liegt.
            • Zuletzt kann auch der Macro-Bereich eine Konfliktquelle sein. Dabei spielt das Umfeld der Organisation eine Rolle. Konflikte können durch den Markt oder aus dem kulturellen und politischen Umfeld verursacht werden (z.B. Änderungen bei Stakeholdern, Veränderungen im Markt, Arbeitswelt, Digitalisierung).

            Einen Schutzraum schaffen

            In der modernen Organisationsentwicklung (2) wird von einer zusätzlichen Ebene gesprochen, die insbesondere bei Projekten sehr relevant ist: der Schutzraum. Da ein Projekt eine massgliche Veränderung in der Organisation zum Ziel hat, entsteht automatisch ein mehr oder weniger grosser Widerstand gegen diese Veränderung aus der Organisation heraus (aus der Meso-Ebene).

            Ein Projekt kann nur erfolgreich durchgeführt werden, wenn die Projektmitglieder innerhalb eines Schutzraumes handeln können, der sie gegen diese Widerstände schützt. Dieser kann als Sub-Organisation betrachtet werden, in der neue Strukturen, Prozesse, Rollen und Kultur aufgebaut werden. Dieser Schutzraum entsteht durch eine Haltung der Organisationsführung und Auftraggeber*in, indem sie diesen Schutzraum ermöglichen und verteidigen. Falls dieser Schutzraum brüchig ist, dringt der Widerstand aus der Organisation zum Projektteam durch und verhindert nicht nur die Arbeit und Zielerreichung des Projekts, sondern führt sehr oft zu Konflikten.

            Einbettung eines Projekts in den 3 Ebenen. Wie ein Schutzraum auf der Micro-Ebene durch die Führung geschaffen werden kann.

            Projektkonflikte bearbeiten

            Aus dieser Vogelperspektive kann analysiert werden, worin die Einflussfaktoren von einem Projektkonflikt liegen. Dadurch kann der Konflikt nachhaltig gelöst, und nicht nur Symptome (d.h. der sichtbare Konflikt) bekämpft werden. Eine wichtige wesentliche Frage, die gestellt werden kann ist: Was fehlt? Bzw. Fehlt es an Ressourcen? Ist der Auftrag zu wenig klar? Sind die Ziele nicht klar genug? Was sind inoffizielle Erwartungen aus den Ebenen? Besteht eine Fehlerkultur? Sind die notwendigen Qualifikationen vorhanden? Besteht ein robuster Schutzraum, der von Führungspersonen verteidigt wird?

            In einer Organisationsmediation versuchen wir genau diese Fragen zu klären und gehen dafür in verschiedenen Schritten vor:

            1. Orientierungsphase

            Wir verschaffen uns als Mediatorinnen ein globales Bild der Situation und des Konflikts. Wir führen Vorgespräche mit wichtigen Stakeholdern wie z.B. Auftraggeber*in, Projektleitung, Konfliktparteien. Wir definieren anschliessend das Vorgehen für die Konfliktbearbeitung: welche Methoden zu welchem Zeitpunkt angewendet werden, welche Personen zu welchem Zeitpunkt involviert werden etc.

            2. Konfliktbehandlungsphase

            Nicht selten wird anschliessend eine Mediation mit den Konfliktparteien durchgeführt, dies passiert auf der micro Ebene, also dort, wo der Konflikt ausgetragen wird. Dabei werden die Konfliktbetroffenen unterstützt, ihre Konfliktmechanismen zu verstehen und zu überwinden. Ziel dieser Phase ist, die organisationalen Konfliktursachen zu erkennen, nicht nur als Mediatorin, sondern auch für die Betroffenen. Für die nächste Phase sollten die Konfliktparteien mindestens wieder gesprächsfähig und bereit sein, die organisationalen Konflikte und Probleme gemeinsam in Angriff zu nehmen.

            3. Konsolidierung

            In der letzten Phase geht es immer mehr in Richtung Organisationsentwicklung. Es geht primär darum, die Probleme der Organisation zu bearbeiten. Durch die vorherige Bearbeitung des eigentlichen Konflikts sollte deutlich geworden sein, mit wem und an welchen Stellen in dieser letzten Phase angesetzt werden kann.

            Aus Konflikten lernen

            Prävention durch Training und Coaching

            Die Ergebnisse der Umfrage und unsere Erfahrung zeigen, dass Projektleitende wenig bis kaum zum Thema Konfliktmanagement geschult werden. In klassischen Projektmanagement-Trainings wird hauptsächlich von Risiko-Management gesprochen, jedoch werden sehr selten Ansätze zu Kommunikation, Konfliktdynamiken, Fehlerkultur, Gesprächsführungstechniken etc. gelehrt. Sowohl Führungskräften, Projektleitenden und Projektbeteiligten empfehlen wir, solche Trainings zu machen.

            Zusätzlich empfehlen wir in komplexen und interdisziplinären Projekten bereits in der Planung, Budget für eine Mediation, Supervision oder einen Konfliktmanagement-Coach mitzuberücksichtigen und einzubeziehen. Dabei können dem Projektleitenden mediative Methoden nahegelegt werden.

            Projektteams durch Mediation handlungsfähiger machen

            Gewisse Mediationen haben zum Ziel, eine Trennung oder eine Verhandlung in einer win-win Situation zu erzielen. Innerhalb eines Projekts sind die Beweggründe ganz andere, nämlich eine verbesserte Zusammenarbeit. Gerade wenn ein Team an seine Grenzen stösst und Krisen bewältigt, kann es stärker werden und über sich hinauswachsen. Durch eine Mediation kann die Resilienz des Projektteams gestärkt werden, indem einerseits Ziele, Auftrag, Rollen etc. besser geklärt werden, andererseits indem eine verbesserte Kommunikation und ein gegenseitiges Verständnis entwickelt wird.

            Was uns Projektkonflikte sagen wollen

            Gleichzeitig können Konflikte Klarheit schaffen, wichtige Probleme werden endlich ausgesprochen und bestenfalls wird nach gemeinsamen Lösungen gesucht. Auseinandersetzungen sind wichtig, auch in Projekten. Konflikte können Unklarheiten aufdecken, und auch Probleme in der Organisation.

            Quellenverzeichnis

            (1) Glasl, F. (2016, März). Nachhaltige Organisations-mediation. Perspektive Schwerpunkt, 156. https://docplayer.org/34716577-Perspektive-schwerpunkt.html

            (2) Poppenborg, M. (2020, November). Mit Schutzraumprojekten Unternehmenskulturen überlisten. Presentation der Intrinsify Academy im Rahmen des Online-Kurses « Future Leadership »